klagenfurter ensemble
Ich bin 1985 zum klagenfurter ensemble gestoßen, damals ein hochambitionierter Amateurtheaterverein mit allfreitägigem „jour fix“ im Wirtshaus zum Heiligen Josef in der Osterwitzgasse zu Klagenfurt/Celovec, einem Ort, von dem Alois Hotschnig sagt, er sei so wie wenn man ins Pech greift, und angemietetem Spielort Arbeiterkammersaal in Klagenfurt.
34 Jahre später sind wir dort, wo wir mit unserem Theater hin wollen, noch lange nicht, hier also ein Reisebericht von halber Wegstrecke sozusagen, allerdings doch mehr als eine Momentaufnahme: An greifbaren Ressourcen ist ein ordentlicher Platz zum Theaterspielen (Theater HALLE 11), ein immer viel zu knappes Jahresbudget, das unter einem von finanziellen Zwängen geprägten Kunstpräkariat fünf Eigenproduktionen erlaubt, ein kleines, aber kunstsinniges und treues Publikum und ein hohes Niveau an Produktions-know how erreicht worden, dies alles gegen größtmöglich vorstellbare Widerstände politischer Natur in einem von Ignoranten und Selbstbereicherern regierten Kärnten des letzten und ersten Dezenniums um die Jahrtausendwende (kulturpolitisch war es vorher und ist es nachher nicht wirklich besser). Wenn man von einer wechselvollen Geschichte des klagenfurter ensemble reden will, gründete diese im wesentlichen auf genau diese geradezu traditionelle Interessenlosigkeit der Kärntner Politik gegenüber der Kunst im allgemeinen und dem Theater im besonderen, woraus sich die jahrelange Spielstättenodyssee und mehrmalige unmittelbare Existenzgefährdung des Theaters mitsamt seinem Bürgen erklärt, nicht selten war das Überleben nur durch die allgegenwärtige Hilfestellung des Bundes gewährleistet.
Die künstlerischen Koordinaten des klagenfurter ensemble waren hingegen von jeher durch eine breite, sehr subjektiv und spezifisch instrumentierte Skala an Formen- und Bühnensprachen bis hin zum Experiment geprägt, hergebrachte Genres wie Sprechstück, Kammeroper, aber auch Tanztheater und Film haben darin ebenso Platz wie spartenübergreifende Produktionen, Installationen, Collagen, Stückentwicklungen, Site Specific Theatre etz., wobei die ganz wesentliche Klammer unserer Produktionen von Beginn an das Zeitgenössische und zusehends mehr das Kärntnerisch-Zeitgenössische, letzteres nicht zuletzt durch die enge persönliche Freundschaft zu Autoren wie Josef Winkler, Werner Kofler, Alois Hotschnig, Alexander Widner, Gert Jonke, Peter Turrini uvm hervorgerufen, war und ist. Insofern, als gerade das formal und inhaltlich Wechselvolle von Anfang an im Blickpunkt der künstlerischen Entwicklung des klagenfurter ensemble stand, würde ich daher eben deshalb von einer stringenten und geradlinigen Entwicklung sprechen. Die fünf 2019 gezeigten Produktionen (drei davon Uraufführungen) bestätigen dieses Faktum, indem sie ein Spektrum von Strawinskys „Die Geschichte vom Soldaten“ über Dieter Kaufmanns Vertonung von Picassos „Wie man Wünsche beim Schwanz packt“, Aki Kaurismäkis „Das Mädchen aus der Zündholzfarik“ bis hin zu Wolfram Lotzs „Der grosse Marsch“ und Peter Wagners „Der 13. Gesang der Hölle“ im Rahmen von „For Forest“ im Klagenfurter Wörthersee Stadion, vormals Hypo Group Arena, das heute zum Glück nicht, wie von der FPÖ vorgeschlagen, Jörg Haider Stadion heisst, aufspannen.
Wir wollen die Welt nicht erklären, wir erkunden sie mit dem von uns entwickelten künstlerisch geprägten Sensorium. Und lassen das Publikum mit möglichst viel eigenem Freiraum daran teilhaben. Zu diesem Zweck verzichten wir auf thematische Vorgaben, verfolgen keinen Bildungsauftrag, schielen nicht auf Auslastungszahlen, konzentrieren unsere Kraft lieber auf die jeweils folgende Produktion und bleiben weiterhin neugierig auf die unerhörten Stoffe, die uns die mit grosser Sorge beobachtete Entwicklung unserer Gesellschaft an den Theaterstrand spült.
Gerhard Lehner
Neue Ufer in Sicht. Wir investieren sehr viel in unsere Theaterproduktionen und sehen in der Theaterallianz jenes schon lange herbeigesehnte Instrument, das uns erlaubt, die künstlerischen Erträge dieser Investitionen zu mehren. Noch schöner, dass wir auch mithelfen können, dies auch für unsere Partnertheater zu ermöglichen. Wir haben das Schiff gebaut und sind zum Auslaufen bereit.